Gregors Story

Es begann mit Erbrechen. Aus dem Null und Nichts! Ich dachte zuerst, dass es eine Lebensmittelvergiftung sei und ging weiterhin zur Arbeit und zum Sport. Ich wurde schwächer. Ich war nie ein besonders schneller Läufer, jetzt war ich noch weniger schnell. Jeden zweiten oder dritten Tag musste ich erbrechen – ins WC, in einen Kübel, hinter dem Briefkasten. Nachdem ich im Fitnessstudio ohnmächtig geworden war, schickte mich mein Hausarzt ins Krankenhaus.

Nach ein paar Tests erhielt ich die Diagnose: ein Tumor im Zwölffingerdarm. Doch ich hatte Glück im Unglück. Wenn er an einer anderen Stelle gewesen wäre, hätte er das Essen nicht blockiert und wäre somit vermutlich länger unentdeckt geblieben. Plötzlich ging alles schnell. Ich hatte Gespräche mit dem Chirurgen, der Psychologin, mit einem Ernährungs- sowie mit einem Diabetesberater. Wenige Tage später wurde ich operiert. Ich war sieben oder acht Stunden komplett weg.

Während zehn Tagen wurde ich im Krankenhaus wieder aufgepäppelt. Am zweiten Tag konnte ich wieder essen, am dritten begann schon die Physiotherapie. Das gesamte Personal des Spitals begleitete mich und meinen Partner immer professionell und machte nie einen Unterschied, dass wir ein homosexuelles Paar sind. Auch während der Coronazeit durfte er mich immer besuchen. Mein Partner unterstützte mich, wo er nur konnte – dank ihm durfte ich nach Hause und musste nicht in die Reha.

Wir wohnen im vierten Stock in einem Haus ohne Lift. Ich durfte erst nach Hause, als klar wurde, dass ich die 40 Stufen allein schaffen konnte. Das Üben begann schon im Krankenhaus. Die Treppen runter und wieder rauf. Nach zehn Stufen musste ich absitzen. Die Vollnarkose und die künstliche Beatmung hatten meinem Körper zugesetzt.

Vor dem Krebs machte ich Bergtouren, ging ins Spinning und joggte mit den Frontrunners Bern. Mein Arzt sagte mir, dass sportliche Menschen nach einer solchen Operation die bessere Ausgangslage haben. Als ich wieder mit Spazieren begann, schaffte ich es knapp über die Strasse. Meine Kondition war auf null. Ich hatte 15 Kilo abgenommen. 15 Kilo Muskeln waren einfach weg, doch der Speck war geblieben! Ich begann mein Training mit zwei Minuten rennen, dann zwei Minuten laufen. Beim ersten Mal wurde mir schwindlig und ich dachte, ich falle hin!

Im Sport geht es um Leistung, um gute Resultate, natürlich auch im Verein. Die Erwartung und der Ehrgeiz sind da: Wir sind schnell, wir sind fit! In unserer Gesellschaft wird Krankheit schnell ausgeblendet, vielleicht ist auch ein Tabu da. Die Frontrunners haben mir eine Karte geschrieben, das hat mich sehr gefreut. Ich würde mich als Einzelgänger bezeichnen. Ich bin nicht jemand, der viele Freund*innen hat. Soviele Leute meldeten sich bei mir. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so viele Menschen kenne! Vor meiner Erkrankung habe ich mich nicht gross darum gekümmert, wenn Mitarbeitende oder Freund*innen krank waren. Wir sollten viel mehr Nachrichten schreiben: «Hey, wie läuft es?» Die Inhalte sind nicht so wichtig – wichtig ist, dass die Leute an dich denken. Die Zeichen mögen noch so klein sein, sie tun gut.

Man sagt, dass man ab 50 alle fünf Jahre in die Vorsorgeuntersuchung soll. Dort war ich zwei Jahre vor meinem Krebs, da war noch alles gut. Ich hatte ein Riesenglück. Der Tumor war bösartig, streute aber nicht: Die Kapsel war zu. Ich bin immer noch in der Nachuntersuchung, bis jetzt brauchte ich zum Glück keine Chemo. Ich bin noch nicht ganz da, wo ich vor meinem Krebs war. Die Berge sind mir noch immer zu hoch. Heute schaffe ich vielleicht 1000 oder 1200 Höhenmeter, dann ist Schluss. Früher war ich bis zu neun Stunden unterwegs und schaffte bis zu 1600. Doch das kommt schon wieder.